Samstag, Mai 30, 2009

Pietisten und Brüder

Die Herrnhuter werden ja als Pietisten hallensischer Prägung in den theologischen Geschichtsbüchern geführt. Doch hab ich eine schöne Passage gelesen, in "Die Brüder - Aus Vergangenheit und Gegenwart der Brüdergemeine" von 1914, verlegt vom Verein für Brüdergeschichte in Herrnhut (den gibts auch nicht mehr) S. 136.

Kapitel "Die Sichtungszeit und ihr Ende"

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Und in der Tat, Zinzendorf stand auf der Höhe seines Wirkens. Mit hinreißender Kraft stellte er den Menschen, die sich in Gewissensnöten mühten und quälten, den Heiland vor Augen als Mensch von der Wiege bis zum Grabe, wie er in seiner Erniedrigung so natürlich und einfältig und kindlich dahingeht. So hat ein Herz, wenn es einfältig ist wie der Heiland, den Himmel auf Erden.
Vor allem malt er aber den Heiland am Kreuz mit seinen Wunden, denn kaum ist diese Botschaft gehört, so ist sie angenommen, man geht fröhlich seinen Weg und wird ein Zeuge des Lammes. Ein solcher Zeuge braucht sich nicht künstlich zu mühen, nein, die Einfalt, die Natürlichkeit, die Geradheit, die Reinheit des Heilandes wird ihm zur Natur, er wird jesushaft.
Wenn die Menschen solche Leute sehen, so fragen sie: Was ist das für ein Blick? Die Leute sehen sich ja alle ähnlich. Da antwortet man: Das ist kein Wunder, sie können ihren Ursprung nicht verleugnen, sie sind Abbilder von einem Original, die Augen des Heilands sehen ihnen aus den Augen heraus. Solche Leute sind selig: ein Pietist blickt stets auf sein Elend und lässt sich nur manchmal durch den Blick auf Jesu Wunden trösten, ein Bruder aber hat die Wunden vor Augen und ist darüber fröhlich, nur manchmal blickt er auf sein Elend und lässt sich demütigen, denn in der Tat gehört die Sünderschamröte zu einem Christen, je seliger er ist, um so mehr, weil er´s mit Dankestränlein fühlt, dass all sein Glück ein unverdientes Geschenk der Liebe ist.

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Ja ja, das Lämmlein. Man merkt die Sichtungszeit (starke Betonung der Charismen). Die Unterscheidung zu den Pietisten gefällt mir - also doch Post-Pietismus ;-)

Dienstag, Mai 26, 2009

Freitag, Mai 01, 2009

Die Statuten von 1727 - II. Brüderlicher Verein und Willkür

Die Herrnhuter Statuten von 1727, quasi die Ordnung des Lebens in Herrnhut, zitiert nach "Zinzendorf und die Herrnhuter Brüder - Quellen zur Geschichte der Brüder-Unität von 1722 bis 1760", Friedrich Wittig Verlag 1977:

II. Brüderlicher Verein und Willkür

1. In Herrnhut soll zu ewigen Zeiten nicht vergessen werden, daß es auf den lebendigen Gott erbaut und ein Werk seiner allmächtigen Hand, auch eigentlich kein neuer Ort, sondern nur eine für Brüder und um der Brüder willen errichtete Anstalt sei.

2. Herrnhut mit seinen eigentlichen Einwohnern soll in beständiger liebe mit allen Brüdern und Kindern Gottes in allen Religionen [Konfessionen] stehen, kein Beurteilen, Zanken oder etwas Ungebührliches gegen Andersgesinnte vornehmen, wohl aber sich selbst und die evangelische Lauterkeit, Einfalt und Gnade unter sich zu bewahren suchen.

3. Dieses sind die Kennzeichen eines Mitglieds an Christi Leib, welche wir in Herrnhut nach dem auf das bloße Wort Gottes gebauten einfältigen Grunde, darauf wir stehen, gewiß achten: Ein jeglicher, der da nicht bekennt, daß ihn die bloße Erbarmung Gottes in Christo ergriffen, und er derselbigen nicht einen Augenblick entbehren könne, daß auch die größte Vollkommenheit des Lebens, wo sie zu erhalten wäre ohne Jesu auf sein Blut und Verdienst gegründete Fürbitte, bei Gott gar schlecht angesehen sei, in Christo aber angenehm werde, und neben dem nicht täglich beweist, daß es ihm ein ganzer Ernst sei, die Sünde, die Christus gebüßt, wegnehmen zu lassen, und täglich heiliger, dem ersten Bilde Gottes ähnlicher, von aller Anklebung der Kreatur, Eitelkeit und Eigenwillen täglich reiner zu werden, zu wandeln wie Jesus gewandelt hat und seine Schmach zu tragen, der ist wahrhaftig kein Bruder. Wer aber dieses beides hat, daß er den Glauben an Jesum reinem Gewissen bewahre, der soll es auf keine Weise dahin bringen, wenn er schon sektierisch, fanatisch, oder sonst mangelhaft in Meinungen ist, daß man ihn unter uns geringschätzt, oder da er sich von uns trennt, sogleich wieder verlasse, sondern man soll ihm nachgehen mit Liebe, Geduld und Sanftmut vertragen und verschonen. Wer aber von obigen beiden Stücken zwar nicht abgeht, aber doch nicht beharrlich darinnen wandelt, soll für einen Lahmen und Strauchelnden geachtet, doch mit Sanftmut zurecht gewiesen werden.

4. Solange man sieht, daß kein Handwerk daraus wird, ist es gut, daß gewisse Tage bei der Gemeine überhaupt in sonderlichem Andenken der Treue Gottes mit Fasten und Beten oder Dank und Verherrlichung des Herrn zugebracht werden, sonderlich der Tag des Ausgangs der ersten Brüder, der 12. Mai, an welchem viel Taten unter uns in verschiedenen Jahren geschehen sind, und daß ein jeglicher die Tage, so ihm besonders merkwürdig sind, mit seinen vertrauten Brüdern dem Herr opfert.

5. Die sich das Kirchenwesen nach der Freiheit mit gefallen lassen, haben billig die Ursachen und daß die menschlichen Satzungen nicht sowohl approbiert, als in Demut aus Liebe und Gehorsam nach der christlichen Freiheit gebraucht werden, bis der Herr selbst eine Änderung mache, bei Gelegenheit anzuzeigen. On dem aber, was unter uns dermaleinst könnte geordnet werden, soll Einfalt und Erbauung gesucht werden.

6. Welcher an andern Orten der Beichte nicht gewohnt, oder dem solche anstößig ist, soll in Berthelsdorf von Herrschaftswegen darzu nicht genötigt werden. Keiner aber soll, Unordnung und Leichtsinnigkeit zu verhüten, zum Abendmahl kommen, wenn ihn der Lehrer in Berthelsdorf nicht genugsam kennt.

7. Keiner soll sich mit offenbar gottlosen und verkehrten oder weltlich gesinnten Leuten vertraulichen Umgang zum Anstoß anderer einlassen, jedoch denselben nach aller Möglichkeit billig und treuherzig begegnen und sich gegen dieselbe in keine Heftigkeit bringen lassen.

8. Ein jeglicher soll sich befleißigen, den rechten gemeinschaftlichen Grund der lebendigen Lehre zu fassen, darauf wir gebaut sind, damit wir den Widersachern mit Bescheidenheit und Weisheit in der Kraft antworten können, und ein jeglicher für den anderen stehen.

9. Wenn sich bei Seelen was Gutes zeigt, so soll man sich mit frühzeitigem Urteil an ihnen nicht vergehen, vielmehr Gott danken, Geduld haben, auf die Frucht warten und ihnen auf alle ersinnliche Weise die Hand bieten.

10. Überhaupt soll das verwegene Richten seines Nächsten ohne augenscheinlichen Beweis und ohne vorgehenden Gebrauch aller Grade [der brüderlichen Bestrafung] unter uns ein Greuel, und ein jeder berechtigt sein, den andern darüber zu bestrafen.

11. Vorsteher, Älteste und andere so sich mit Gewinn und Führung der Seelen zu tun machen, sollen sich deswegen in keinen Verdacht kommen, wenn sie mit diesem oder jenem oft umgehen und vieles besonderes reden.

12. Weil der meisten gegenwärtigen Einwohner Hauptzweck die Gewinnung der Seelen zu Christo ist, so soll in Herrnhut jedwedem freistehen, mit einem zu Zeiten mehr oder vertraulicher als mit dem andern umzugehen und hierinnen nach Beschaffenheit der Umstände zu ändern, wenn es nicht  um Beleidigung willen geschieht. Zwischen ledigen Manns- und Weibspersonen soll der vertrauliche Umgang nicht schlechterdings erlaubt sein, vielmehr haben die Ältesten Macht solchen zu hemmen, sobald sie die geringste Bedenklichkeit dabei haben, er habe auch so guten Zweck als er wolle.

13. Neid, Verdacht und unzeitiges Ärgernis an den Brüdern soll sehr ernstlich vermieden werden. Sonderlich da jedweder frei hat den Umgang des andern zu suchen, soll keiner darüber verdrießlich sein, wenn ein anderer mehr mit den Ältesten bekannt zu sein scheint.

14. Von Gott und göttlichen Dingen soll um der Schwachen willen nicht leichthin, sondern mit großer Ehrerbietung gesprochen werden.

15. Die Brüder sollen nach Art der ersten Gemeine einander alles zu Liebe tun in der Freiheit, was nur möglich ist, ja über Vermögen sollen sie selbst willig dazu sein. Allen andern Menschen sollen sie tun, wie sie gegen sich selbst gern gehandelt sähen.

16. Die Gabe dazu empfangen haben, sollen reden, die anderen aber richten.

17. Wer sich am besten zum andern schickt, der mag ohne Bedenken mit demselben vorzüglich umgehen, sich im Gebet vereinigen und was die besondere Gemeinschaft mit sich bringt; nur daß die herzliche Bruderliebe gegen die übrigen nicht aus der Acht gelassen werde. Ja es ist eine Pflicht, daß, die einander besonders kennen, in der Lehre, Ermahnung, Bestrafung, Trost, Entschuldigung und ganzen Haushaltung des Geistes einander die Hand reichen.

18. Kein Bruder soll ohne Vorbewußt der andern zünftig werden. Hingegen soll auch keine Hantierung unter uns an und für sich selbst unehrlich geachtet werden.

19. Keiner soll seinen Nächsten die geringste Überlast tun, viel weniger ihn hintergehen.

20. Keine Ehe soll ohne Vorbewußt der Ältesten beschlossen, noch ein Verlöbnis ohne ihre Gegenwart oder Genehmhaltung gültig sein.

21. Kein Sohn soll den Vater oder die Mutter aus dem Hause und Brote heißen, solange sie bei ihm bleiben und in der Stille ihr Wesen schaffen wollen.

22. Aller Aberglauben und Zeichendeutung soll aus Herrnhut verbannt sein, und soll dergleichen Märlein von Geistern, Ahnden, Vorbedeutungen, Totenvogel, Beobachtungen bei Kindbetterinnen und dergleichen für eine schädliche Narrheit geachtet werden.

23. Weil täglich gewisse Personen Erweckung brauchen, so soll täglich Gelegenheit dazu in Herrnhut gemacht werden, dabei aber zu erscheinen, wenn nicht die ganze Gemeine zusammengerufen ist, niemand genötigt werden.

24. Wenn jemand fehlt, soll er sich´s für Schande achten, deswegen vorgefordert, ermahnt und bestraft zu werden. Solches soll er in Liebe und Demut annehmen, nicht retorquieren [abwenden] oder sich deswegen der Gemeinschaft entziehen. Auch soll darüber keiner, dem es nicht anbefohlen, urteilen und richten oder Gespräche davon anstellen.

25. Wer einem gegen andere etwas nachredet, das er nicht beweisen kann, der soll gehalten sein, den Grund seiner Rede den Ältesten darzutun, sodann aber bei Gelegenheit, was er ausgesprochen, widerrufen, es klage gleich der Beleidigte oder nicht.

26. Wenn in öffentlicher Gesellschaft von andern nachteilig gesprochen wird, welches ohnedem ohne die gegründetste Ursach nicht geschehen darf, so soll ein jeder Macht haben, demjenigen, von dem geredet ist, solches weiterzusagen, jedoch ohne Benennung des Beleidigers.

27. Es sollen sich gewisse Brüder in Verleugnung aus Liebe dargeben, die mit Krank- oder Schwachheit befallenen Mitglieder zu besuchen, ihre Pfleg und Wartung zu besorgen und nach Gelegenheit selbst zu verrichten. Es soll auch, solange Gott einen Arzt gönnt, der ein Bruder ist, ein jeder Einwohner von Herrnhut, der sich unserer Krankenwartung und Vorsorge bedienen will, seine Schwachheiten und Zufälle ihm, ehe er einen andern um Rat fragt, bald anfangs melden, und seinem treuen Rat folgen, kein anderer aber, der das Werk nicht versteht, durch verwegene Kuren sich an seines Nächsten Leibe vergreifen.

28. Die Kranken sollen den Krankenwärtern beiderlei Geschlechts bald anfänglich angezeigt, und was der Arzt und sie alsdann verordnen werden, sowohl von dem Kranken aus Gehorsam als von denen, die um ihn sind aus Liebe wohl in acht genommen werden.

29. Was einem vertraut oder was man gehört hat und einem nicht erlaubt worden, es wieder zu sagen, soll ein jeder sorgfältig verschweigen. Keiner soll auch vertrauten Geheimnissen leichtlich Gehör und Glauben geben.

30. Keiner soll dem andern etwas nachtragen, sondern ihm sogleich (Herrschaft und Lehrer nicht ausgeschlossen) freundlich und geziemend entweder selbst oder durch andere über die anstößige Sache erinnern. Zusammengesparte Klagen sollen nicht einmal angehört, Zänkereien aber, Mißgunst und eigenwillige Trennungen von allen verabscheut und, die daran schuld sind, nach gebrauchten Graden als Heiden angesehen werden.

31. Ein Handwerksmann und ein Künstler soll sein Wort auf den Tag halten, oder wenigstens ein oder zwei Tage vorher die Ursach, warum er´s nicht halten kann, dem Besteller anzeigen.

32. Alle rechtliche Erkenntnis, soviel die mit diesen Statuten übereinkommenden Brüder betrifft, soll sich auf die klaren Gebote Gottes, auf diese Statuten und auf die natürliche Billigkeit gründen.

33. Es soll alles mit freundlicher Bestrafung versucht, wer aber sich damit nicht gewinnen lässt, den Ort zu meiden angehalten werden.

34. Alle Sonnabend soll von den Ältesten eine Konferenz gehalten, und wer dazu gefordert wird, unwidersprechlich erscheinen, oder da er zweimal ungehorsamlich ausbleibt oder sich widerspenstig erzeigt, den Ort räumen.

35. Bei dem Wachen sollen die Brüder der Gemeine zur Aufmunterung einen erbaulichen Vers aus einem Liede mit lauter Stimme absingen.

36. Alle die einfältigen Lehren, Exempel oder Regeln Jesu und seiner Apostel sollen die besondere und allgemeine Regel unserer Lehre, Ermahnung und Weissagung sein.

37. Wer in beharrlicher offenbarer Unlauterkeit und beweislichem leichtsinnigen Wesen wandelt und deshalb solange ermahnt ist, daß ihm ohne Anstoß nicht länger zuzusehen, der soll vor den Ältesten mit Ernst gebunden, von den Brüdern ausgetan und nicht ehe in die Liebesvereinigung eingenommen werden, er habe denn seiner wahren Änderung sattsame Proben gegeben.

38. Alle Kinder in Herrnhut, welche sich zu Christo bekennen werden, sollen konfirmiert und ihnen sodann diese Statuten zur Überlegung gegeben werden.

39. Keine Oberkeit, kein Lehrer, Ältester oder Vorsteher, oder der in einigem Stück über die anderen gesetzt ist, soll sich seiner Gewalt auf andre Art bedienen, als daß er einen Gehilfen ihrer Freude und Seligkeit und einen sorgfältigen Helfer in ihren Leiden, Trübsalen oder Mangelhaftigkeit abgebe.

40. Die sämtlichen Gott liebenden Gemüter sollen in der Gemeinschaft und herzlichem Umgang mit andern ihresgleichen keinen ausnehmen. Da sie es aber gegen alle täten, sollen sie sich gegen die Ältesten erklären, daß es aus keinen andern Absichten als um ihres selbsteignen Nutzens willen, aus unverarglichen Ursachen geschehe, da denn die andern ihrer schonen sollen.

41. Es soll einem jeden frei stehen, den andern in Liebe zu erinnern und zu bestrafen, er habe gleich Grund dazu oder nicht. Es soll aber dergleichen mit großer Bescheidenheit geschehen, und solange einer in Heftigkeit ist, darf ihn der andere nicht anhören. Auch müssen wir mit des andern Entschuldigung entweder zufrieden sein oder andre Brüder dazu nehmen.

42. wenn wir Verfolgung erleiden sollten, so soll ein jeglicher wohl bedenken, daß solches teure und hochnützliche Übungen sind; die solche ausüben, lieben, ehrerbietig begegnen, auf alle Fragen bescheidentlich und einfältig antworten, und mit getrostem Wesen in alles, was ihm begegnet laut seines Bekenntnisses hineingehen.

Die Statuten von 1727 - I. Herrschaftliche Gebote und Verbote

Die Herrnhuter Statuten von 1727, quasi die Ordnung des Lebens in Herrnhut, zitiert nach "Zinzendorf und die Herrnhuter Brüder - Quellen zur Geschichte der Brüder-Unität von 1722 bis 1760", Friedrich Wittig Verlag 1977:

I. Herrschaftliche Gebote und Verbote

1. Die ersten Werkmeister in diesem Bau und die ersten Einwohner, welche in der Chronika Fol. 1 benennt sind, sollen, solange sie leben, von allen Einwohnern Ehrerbietung und Liebe, und von der Obrigkeit des Orts aller besondern Freundschaft und Beförderung genießen, auch in bequemen Dingen allen Einwohnern vorgezogen, in der Mitleidenheit aber, wenn daselbst wohnen, soviel möglich verschont, auch sie und ihre Häuser (soviel an der Herrschaft) von aller Einquartierung auf ihre Lebenszeit frei erklärt werden.

2. Herrnhut soll zu ewigen Zeiten von aller Dienstbarkeit, Leibeigenschaft u.s.w. mit allen seinen statutenmäßigen Einwohnern frei gesprochen sein, und da sie eine nachkommende Herrschaft darzu nötigen wollte, Ihro diesfalls zu gehorsamen nicht schuldig sein, auch durch Eid, Güte oder Ernst jemals darzu verpflichtet werden können.

3. Ein jegliches Haupt jeder Familie hierselbst männlichen Geschlechts und was sonst Hantierung für sich treibt, gibt einen Taler Schutzgeld, einen Taler Grundzins von einem eigenen Hause, sonst aber den gehörigen Pacht vom Hause, Garten oder Felde, wie solcher vorher mit ihm insbesondere ausgemacht worden. Hantierungsgeld aber wird von jedwedem, der dergleichen wirklich mit Nutzen treib, für seine Person jährlich verwilligt, soviel er selbst geben mag, oder wie solches der Taxiermeister und die Gemeinde für gut erkennt. Solches Hantierungsgeld soll alsdenn dem Taxiermeister eingeliefert und al freiwillige Gabe, welche auch bei denen eigentlich und zu den Statuten verbundenen Brüdern einen Taler nie übersteigen, aber nach Gelegenheit drunter gesetzt werden soll, alsdenn zur Notdurft der Gemeinde redlich angewendet, und den Ältesten berechnet werden.

4. Außer dem, daß die Einwohner künftig hin nach Proportion derer Äcker und Felder mit der Gemeinde zu Berthelsdorf in gewissen allgemeinen Fällen z.E. zu Erhaltung des Soldaten, zur Kirchen Bau heben und legen, soll sich der Landesverwilligungen und Gewerbesteuern keiner weigern, auch eine proportionierliche Anlage zu Konservation des Weges und der Brunnen (wobei die Gemeinde auch ohne Entgelt Hand legen muß) so oft von den Ältesten gemacht werden.

5. Ein jeder für sich selbst subsistierender Kopf in Herrnhut hat, so oft ihn die Reihe trifft, entweder selbst oder durch andere auf seine Unkosten die Wache auf Herrnhut zu verrichten, und sind alle Einwohner von 16 bis 60 Jahren hierzu verpflichtet.

6. Ein jeder Einwohner in Herrnhut soll sich darzu bekennen, untertan zu sein der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat, und daß keine Obrigkeit ohne von Gott sei.

7. Ein jeder Einwohner zu Herrnhut soll arbeiten und sein eigen Brot essen. Wenn er aber alt, krank und unvermögend ist, soll ihn die Gemeine ernähren.

8. Wer ein eigen Haus bauen will, soll sich erst deswegen bei den Ältesten melden, das Werk überlegen, warten bis ihm der Platz angewiesen wird, nicht einen Fuß breiter weiter hinaus, auch nicht weiter herein rücken, so hoch und niedrig als es ihm anbefohlen, in solcher Gestalt und in allem nach der Vorschrift bauen. Desgleichen soll einer gestalten Dingen nach tun, im Fall er Feld oder Garten zu seinem Hause erlangt.

9. Sobald einer das Haus unter das Dach gebracht, soll er seinen Brief darauf einrichten und fertigen lassen. Von dem an, daß er es nutzen kann, wird der Pacht oder Grundzins angerechnet.

10. Ein jeglicher soll zur Verbesserung, sobald der Weg in beständigen Stand gesetzt ist, soweit sein Haus geht, verbunden sein, bis an den Platz, wo die alte Straße wieder ihren Anfang nimmt.

11. Vorne heraus soll kein Hauswirt Streu oder anderen Unrat hinauswerfen, soll alles im Hof, Garten oder Feld sammeln.

12. Wer an den Brunnen, Weg oder Häusern durch seine Schuld etwas verdirbt, solls wieder gut machen.

13. Es soll keinem Tanzen, Gelage, Gäste setzen, außer für fremde Durchreisende, von keinem Bierzug, häufigen Speißen bei Hochzeiten, Kindtaufen oder Begräbnissen, noch von den gewöhnlichen Spielen unter den Einwohnern etwas zu hören sein. Wer aber darzu Lust hat, soll sich aus Herrnhut wegbegeben.

14. Die Hauptplätze und Straßen sollen reinlich und sauber von den daherum wohnenden gehalten und alle für Kinder, alte und gebrechliche Leute gefährliche Örter sorgfältig verwahrt werden.

15. Wer borgt, soll auf die Stunde wieder bezahlen, da er es versprochen, es wäre denn erhebliche und gleich erweisliche Ursachen vorzuwenden, daß er sein versprochen Wort nicht halten könnte. Und soll bei Eröffnung der Ursachen zugleich eine andere Zeit benennet werden, zu zahlen. Wer aber leiht, soll solche Zeiten und Stunden setzen, da er vermutlich wieder bezahlt werden kann. Auch soll sich niemand etwas bestellen, daß er nicht zu gesetzter Zeit bezahlen kann, weil keinem Handwerker sein Lohn auf einen Tag wider seinen Willen zurückgehalten werden darf.

16. Diejenigen, welche über Häuser, Felder, Gärten, Brunnen, Straßen und Taxe gesetzt sind, sollen in ihrem Amt fleißig sein, und da sie auch fehlten, ihnen ohne Vorwissen der Ältesten nicht entstanden und ungehorsamt werden.

17. Wer sich in Herrnhut häuslich niederlassen will, soll sich erst bei den Ältesten melden, keiner aber ohne ihr Vorwissen auch nur eine Nacht durch gehegt werden.

18. Wer eigene Hantierung oder Handel anfangen will, soll sich deshalben zuförderst bei den Vorstehern melden, um ins Buch eingetragen zu werden, damit niemand dem andern zu Schaden oder Untergang etwas vornehme. Monopolia hergegen, da einer allein für sich und mit Ausschließung und Hinderung anderer hantieren dürfe, sollen ohne die wichtigsten Ursachen nicht geduldet werden.

19. Seinen Beruf soll in Herrnhut keiner ohne Vorbewußt der Ältesten ändern, viel weniger seinem Meister aus der Lehre gehen ohne des Erlaubnis und der Ältesten Vorwissen.

20. Kein Streit in Herrnhut soll länger als 8 Tage währen. Auch soll eher keine Klage angebracht werden, als wenn keine Güte (und zwar binnen dieser 8 Tage) verfangen will. Alsdenn soll die Sache vor die Konferenz bracht und daselbst dergestalt geschlichtet werden, daß in einer Stunde Kläger und Beklagter aus einander gesetzt, das Werk gehoben und, ehe die Sonne untergeht, der Anstoß aus dem Wege geräumt. Alles auf Unkosten dessen, der dem anderen zu viel getan.

21. Wer sich unterfähret, eine förmliche Rechtsanklage anzubringen und Schikanen zu machen, der soll Herrnhut räumen.

22. Aller Betrug und Übersetzung seines Nächsten soll für eine Infamie angesehen werden. Grobe heidnische Sünden als Hurerei und Buben, Fressen und Saufen, Fluchen und Schwören, Lügen und Trügen, Stehlen und Rauben, Schlagen und Raufen soll in Herrnhut entweder gar nicht oder nicht lange gehört, so dergleichen Anstoß und Ärgernis entweder zeitlich oder ewig des Orts verwiesen werden.

23. In Herrnhut soll keiner ohne ausdrücklichen Vorbewußt der Herrschaft, worum und wozu, auf Wucher leihen oder borgen.

24. Es soll keiner vom anderen Geld leihen, der nicht gegründet Ursache darzu hat und solches nicht wohl meiden kann.

25. In Herrnhut soll kein Marktschreier, Quacksalber, Seil- oder Bärztänzer, Glücksbeutler, Taschenspieler oder einiger anderer Gaukler oder Kuriositätenkrämer ausstehen dürfen.

26. Wenn die Gemeine mit jemandem durch einen ihres Mittels handelt, so soll die ganze Gemeine dafür billig stehen, seine Vollmacht aber zuvor vom Vorsteher und Ältesten unterschrieben werden. Tut aber einer im Namen der Gemeine etwas auf seine Hand, so soll derselbe dafür mit allem dem Seinen ja mit seiner ganzen Person haften, auch nach Wichtigkeit der Sache gar von der Gemeine ausgestoßen werden.

27. Es sollen ohne Licht keine Zusammenkünfte gestattet werden.

28. Wir sollen in Herrnhut durch wahre Unordnung, bösen Schein, Ungehorsam gegen die Obrigkeit sonderlich den Landesherrn, dem wir in allen Dingen untertan sein sollen, uns keine Verfolgung selbst zuziehen.

29. Sollte jemand durchs Verhängnis Gottes und eigene Schuld in Wahnsinn verfallen, soll an ihm Gottes Barmherzigkeit bewiesen, und er selbst freundlich getragen, den Verständigsten untergeben, von ihnen nach Leib und Seel gepflegt, im übrigen aber davon nicht geredet, und so er wieder zurecht kommt, vom vorigen nicht gesprochen werden.

30. Alle Montage früh wird dasjenige, was in der Versammlung der Ältesten beschlossen worden, öffentlich zu jedes Nachricht und unfehlbarer Folge bekannt gemacht werden.

31. Die Männer sollen ihre Weiber nicht hart halten oder gar schlagen, die Weiber aber ihren Männern alle Untertänigkeit leisten und sich nicht unterstehen, ihnen Regeln vorzuschreiben. Eine Frau, die für herrschend gehalten wird, soll deswegen erinnert werden.

32. Kein Sohn noch Tochter soll ohne Vorbewußt der Eltern beiderseits freien oder auch darzu Bekanntschaft machen. Keine Geschwächte [Schwangere] darf ordentlicher Weise in Herrnhut heiraten weder den Täter noch einen anderen.

33. Sobald ein Mann gestorben, sollen sich die darzu gesetzten Ältesten der Witwen annehmen und die Waisen ernstlich anbefohlen sein lassen. Sobald eine Frau gestorben, soll zu Erziehung der Kinder dem Witwer Rat geschaffen werden.

34. Kein Schuldner soll eine Witwe oder Waise, wo sie nicht notorisch wohlhabend, die ersten 4 Wochen angreifen, aber eine jegliche Witwe oder Waise die Umstände des Hauses nach dem Falle sobald möglich den Ältesten offenbaren.

35. Kein Einwohner in Herrnhut soll in Ansehung des kirchlichen Wesens zu Berthelsdorf zum Anstoß anderer urteilen oder handeln, sondern Liebe und Weisheit dabei brauchen.

36. Keiner soll seinem Nächsten Proben der Liebe und Guttätigkeit zumuten, die unbillig und hart sind, widrigenfalls soll die Vergünstigung darzu für nichtig erklärt werden.

37. Wer aus fremden Landen anhero kommen ist, der kann sich allezeit, jedoch wenn er beweibt, in Diensten oder sonst in ein Geschäft verwickelt ist, nicht ohne Vorbewußt der Ältesten und der Herrschaft wieder nach Hause wenden. Wer aber nur verreisen will, soll solches den Ältesten zuvor bekannt machen, ehe er verreist.

38. Wer der katholischen Religion zugetan gewesen, kann unverwehrt hiesiges Orts Herrschaft bei derselben verbleiben und doch alles Guten genießen, solang es die Stände erlauben.

39. Wer sieht, daß ein Wagen umschlägt, Pferde stecken bleiben, Leute gefährlich fallen, der Straße verfehlen, oder sonst seinen Nächsten in einigem Kummer sieht, der soll sogleich herzu eilen, seinem Nächsten zu helfen. Wer aber dasselbe nicht tut, oder gar mit geschlagenen Armen dergleichen Unfall zusieht, soll, wenn er ein und andermal ermahnt worden, für den Schaden, so daraus kommen, mit haften, und für einen leichtsinnigen Menschen gehalten, auch im Fall der Not wieder sitzen gelassen werden.

40. Der Berthelsdorfer Pfarrer soll den Leichen, da es verlangt wird, mit der Schule bis an das Brau- oder Schäferhaus entgegenkommen, weiter hinaus aber nicht, hingegen aber die Herrnhuter Kinder mit ihrem Praezeptor jedoch ohne Kreuz und dergleichen Zeremonien sie bis dahin begleiten.

41. Weil es nicht zu vermuten, daß alle Einwohner in Herrnhut einerlei Sinn nach Christo haben, so wird davon nur ein redlich Bekenntnis verlangt, und alsdenn einem jeden von den Statuten soviel zu unterschreiben gegeben, als sich für ihn schickt. Es muß aber in äußerlichem ordentlichem und gutem Wandel darum durchgehen, weil die Zahl derer, die den Sinn Christi haben, für jetzo und bei Aufrichtung dieser Statuten die größte und Herrnhut ihrethalben erbaut. Niemand aber ist hier zu bleiben genötigt, sondern allenfalls sich im Dorf anbauen kann, der vorhin hier nicht gewohnt.

Gegeben auf der Herrnhut am 12ten Mai 1727, Zinzendorf